Die KFBT begrüßt die detaillierte Analyse des VDI zur Ausgangslage des derzeitigen Bolognaprozesses und stimmt großteils mit den schriftlichen Empfehlungen des VDI überein.
Der im Symposium geäußerten Sorge, dass in den Fachhochschulen das eigentlich erfolgreiche Profil der Praxisorientierung an Gewicht verliert, widerspricht die KFBT hingegen entschieden. Die Fakultäten und Fachbereiche der Hochschulen für angewandte Wissenschaften bieten weiterhin eine sehr praxisorientierte und berufsbefähigende Bachelorausbildung an, die von den Arbeitgebern geschätzt wird.
Die Stellungnahme des VDI im Positionspapier „Chancen von Bologna nutzen“ ist eine detaillierte Analyse jeweils der Ausgangslage an den Hochschulen mit anschließenden Empfehlungen des VDI. Aus Sicht der KFBT ist die Ausgangslage gut analysiert und die Empfehlungen decken sich weitgehend, aber mit einigen wichtigen Ausnahmen mit den Vorstellungen der Fachbereichstage in der KFBT. Verwirrend ist aber, dass die öffentlichen Ausführungen der VDI-Vertreter auf dem VDI-Symposium „Chancen von Bologna nutzen“ am 19.10.2011 in Berlin teilweise von der schriftlichen Veröffentlichung deutlich abweichen.
Prof. Bruno O. Braun, Präsident des VDI mahnt: “Der VDI beobachtet mit Sorge, dass in den Fachhochschulen das eigentlich erfolgreiche Profil der Praxisorientierung an Gewicht verliert. Die Kooperationen mit Unternehmen, zum Beispiel bei Studien- und Abschlussarbeiten, verlieren an Gewicht. Beide Hochschultypen konzentrieren sich unter dem Wettbewerbsdruck stärker auf die Wissenschaft und weniger auf die Praxiskompetenz.“
Dazu nimmt die KFBT Stellung:
Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWen) bieten mit ihren Bachelorstudiengängen berufsqualifizierende anwendungsorientierte Studiengänge an, die weitgehend die Qualifikation der früheren Diplomstudiengänge der HAWen vermitteln. Das bestätigt auch das VDI-Positionspapier (Kap 2.1, Abs. 2): „Die Bachelor-Programme an den Fachhochschulen, die auf sieben Semester angelegt sind, sind in ihrer Struktur mit dem alten Diplom vergleichbar.“ Die verkürzten Studienzeiten in sechssemestrigen Studiengängen sind an HAWen oft Vorgaben einiger Landesregierungen. Dort, wo diese Auflagen nicht existierten, haben sich die HAWen – trotz der Konkurrenz zu i. d. R. sechssemestrigen Bachelorstudiengängen der Universitäten – zu deutlich anwendungsorientierten siebensemestrigen Bachelorstudiengängen entschlossen. Ein gar achtsemestriges Bachelorstudium ist laut Ausgangslage zwar möglich, wird aber auch vom VDI-Positionspapier nicht empfohlen. Die kritisierte verkürzte Abschlussarbeit ist, wie im VDI-Positionspapier treffend beschrieben, „durch Vorgaben der Kultusministerkonferenz erzwungen“ (Kap 2.1, Abs. 2) und sollte vom VDI nicht den HAWen angelastet werden.
Die Akzeptanz der berufsbefähigenden Bachelorabschlüsse der HAWen wird durch mehrere Stellungnahmen gestützt: Schon auf dem Symposium konnte Herr Deppen, Leiter Führungskräfteentwicklung der Daimler AG, einen Verlust an Praxisorientierung bei Bachelorabsolventinnen und -absolventen der HAWen nicht bestätigen. Der CHE-Praxis-Check 2011 bestätigt: “Den Fachhochschulen ist es in den Bachelor-Studiengängen vielfach gelungen, den hohen Praxisbezug als wichtiges Profilmerkmal auch in den neuen gestuften Studiengängen beizubehalten.“ Die aktuelle HIS-Absolventenbefragung „Hochschulabschlüsse im Umbruch“ stellt bei Bachelor-absolventinnen und -absolventen sogar eine kleinere Arbeitslosenquote fest – als Maß für die Akzeptanz im Beruf –, als bei traditionellen Abschlüssen.
Die KFBT hält deshalb die Kritik des VDI an der Praxiskompetenz der HAW-Absolventinnen und -absolventen besonders im Bachelorbereich für unangemessen. Sie verunsichert nur die Studierenden und die einstellenden Organisationen und führt in der Folge zu einer steigenden Anzahl von HAW-Bachelorabsolventinnen und -absolventen, die aufgrund ihrer Verunsicherung einen Masterabschluss anstreben. Lt. HIS-Absolventenbefragung sind das jetzt schon 53 %, lt. VDI-Positionspapier 64 %.
Im Bereich der Masterausbildung, die zur Promotionsberechtigung ohne Auflagen führt, wird das HAW-Studium natürlich stärker akademisiert. Dort nähern sich die Ausbildungsprofile der HAWen und der Universitäten zwangsläufig an, so dass ein gerechter Zugang zur Promotion auch HAW-Absolventinnen und -absolventen ermöglicht wird.
Die Formulierung des VDI-Positionspapiers zum Promotionszugang für HAW-Absolventinnen und -absolventen ist allerdings ungeschickt gewählt. Die Formulierung „Dem Bedarf exzellenter Masterabsolventen von Fachhochschulen nach akademischer Weiterqualifizierung sollten die Universitäten verstärkt durch kooperative Promotionen Rechnung tragen.“ impliziert, dass HAW-Absolventinnen und -absolventen ihre Exzellenz nachweisen müssen, ggf. sogar eine akademi-sche Weiterqualifizierung benötigen.
Ein diskriminierungsfreier Zugang ist hingegen dann gegeben, wenn Bewerber allein nach ihren persönlichen Fähigkeiten ohne Berücksichtigung des Hochschultyps ihres Masterabschlusses ausgewählt werden. Die KFBT kritisiert deshalb jedes Auswahlverfahren, das ausschließlich für Absolventinnen und Absolventen eines Hochschultyps gilt.
Prof. Dr.-Ing. Bernd Schinke
Vorsitzender der KFBT